Die Reise kommt zum Stillstand

„Ist es eigentlich angebracht in dieser Zeit einen Blog zu schreiben?“ fragte Sarah vorsichtig, als Tani sich wie jeden Sonntag an den Laptop setzte.

„Na ja es gibt da doch dieses ganz berühmte Gedicht von Goethe“, antwortete er und begann zu zitieren:

 

„Gerade in solch schweren Zeiten,

gilt es den Menschen Freude zu bereiten.

 

Drum lest den neusten lyrischen Erguss,

von euren Freunden von Team Tuckerbus.“

Wir haben lange überlegt, wie es für uns weitergeht. Sollten wir noch ein paar Tage länger auf Penang bei unseren Freunden Christina und Rafael bleiben? Sollten wir lieber ans Festland übersetzen oder gar unsere Reise abbrechen und nach Hause fliegen?

Aufgrund der weltweiten Situation und der sich stündlich ändernden Lage, fiel es uns sehr schwer, eine Entscheidung zu treffen.

Letztendlich beschlossen wir, da wir noch über 2 Monate Aufenthaltsrecht in Malaysia hatten, vorerst zu bleiben.

 

Nach einem wunderschönen letzten Abend bei unseren Freunden, den wir mit Lasagne verputzen (von Christina hergezaubert), Quatschen und einer wilden Runde Activity spielen verbrachten, brachen wir unser Lager auf dieser wunderschönen Insel ab. Der Abschied von unseren Gastgebern war sehr herzlich.  

Ihr beiden, vielen vielen Dank, dass ihr uns so unendlich gastfreundlich zu euch eingeladen habt. Die Zeit, die wir bei euch verbringen konnten, hat uns super viel Kraft gegeben und wir haben es unendlich genossen, mit euch auf dem Balkon zu sitzen und zu schwatzen. Es ist so wunderschön, Menschen kennen zu lernen, die völlig selbstlos Anderen einfach etwas Gutes tun möchten. Vielen vielen Dank!  

Wir schulterten unsere Rucksäcke und bestiegen erst eine Fähre und danach einen Zug nach Taiping. Dort sollte es einen wunderschönen See geben, den wir uns bei der Durchreise anschauen wollten, bevor wir uns für einige Wochen in eine Wohnung zurückziehen würden, um die Corona- Krise auszusitzen. Für uns war klar, dass das Weiterreisen unverantwortlich wäre. Wir sehen unseren Teil der Verantwortung darin, die Ausbreitung nicht unnötig voranzutreiben, was passieren könnte, wenn wir „einfach weiter machen wie bisher“. Deswegen der Reise eine Pause geben und Abwarten, was die nächsten Wochen bringen.

Doch als wir Taiping erreichten, informierte uns unsere super hilfsbereite Gastwirtin, dass Malaysia nun eine Ausgangssperre ausgehängt hätte. Das öffentliche Leben wird stark eingeschränkt, es schließen alle Einrichtungen, Geschäfte, etc., die nichts mit der Grundversorgung oder dem Gesundheitssystem zu tun haben. Supermärkte sollten somit weiterhin geöffnet sein, Restaurants für Essen „take away“ ebenfalls. Erste Maßnahme, noch vor der Ausgangssperre war die Schließung aller touristischen Attraktionen und direkt im Anschluss wurden die Ein- und Ausreisebestimmungen, wie auch in vielen anderen Ländern, extrem verschärft.

Wieder begannen wir lange darüber nachzudenken, wie es weitergehen soll. Jeden Tag stellten wir uns die gleichen Fragen. Bleiben oder nach Hause fliegen? Jede Stunde gab es neue Informationen, wir verfolgten auf allen Kanälen die aktuelle Lage des Landes und die aktualisierten Einreisebestimmungen Deutschlands.

Lange wogen wir alle Pro's und Kontra's ab und entschieden uns letztendlich hier in Malaysia zu bleiben.

„Hier ist die Ansteckungsgefahr auch wesentlich niedriger“, meinte Tani.

„Wieso denn das?“ fragte Sarah neugierig.

„Na ja... Erstens ist das Essen hier super scharf, da können wir viel Zeit in Isolation auf dem Klo verbringen und durch den vielen Knoblauch im Essen, will uns sowieso keiner zu nahe kommen“, lachte er laut los...

 

„Als ob das bei dir am Knoblauch läge“, meinte Sarah sich theatralisch die Nase wedelnd.

Hier ist die gesamte Situation, trotz Lock-Down noch relativ entspannt. Wir mieteten uns ein Apartment in den Genting Highlands. Für diese Gegend haben wir uns ganz bewusst entschieden. Dieser Touristen-Ort ist etwas abgelegen und zur Zeit fast leer gefegt. Man ist in der Natur und nur eine Stunde von der Hauptstadt Kuala Lumpur entfernt. Dort gibt es eine Deutsche Botschaft und einen internationalen Flughafen, von dem man, falls die Situation sich noch sehr verschärfen würde, zur Not ausreisen könnte.

 

 

Nur Dank der Hilfe unserer Gastwirtin bekamen wir ein Taxi, denn auch der öffentliche Verkehr ist natürlich ebenfalls eingeschränkt. Der Taxifahrer fuhr uns zum Bus, der uns in die Highlands bringen sollte. Wir stiegen ein und bemerkten, dass außer uns nur 4 andere Personen eine Fahrt gebucht hatten, somit war der Sicherheitsabstand gut einzuhalten. Wir setzten uns auf die unglaublich breiten und bequemen Sessel, die hier als Sitze dienten, und bemerkten voller Freude die Massagefunktion der Rückenlehnen.  

Während wir uns schon eifrig durchkneten ließen, bemerkten wir, dass der Bus nicht abfuhr und die beiden Fahrer mit einer Frau wild diskutierten, die einige Reihen vor uns saß. Bei immer lauter werdenden Wortwechseln, packte die Frau ihre Sachen und verließ den Bus. Nach vorsichtigem Nachfragen erfuhren wir, dass die Dame sich nicht wohl fühlte, Fieber hatte und trotzdem eingestiegen war. Unser Fahrer fuhr samt allen Fahrgästen auf einen Hinterhof des Reiseunternehmens. Dort wurde das Gefährt von außen und innen ab gekärchert, der Sitz der Frau großflächig ab desinfiziert, bevor die Fahrt startete.  

Nach 4 Stunden Fahrt, während denen wir uns von unseren Rückenlehnen durch walzen ließen, haben wir die Highlands erreicht. Unser Apartment liegt in einem Wohnpark, der, so scheint es zumindest, fast leer steht. Diese Wohnanlage liegt 2km außerhalb der Stadt und von unserem Balkon aus haben wir einen fantastischen Blick, in die von wilden Dschungel überwucherte Hügellandschaft.

„Weißt du was dieser Dschungel, ich nach ein paar Bier und die Grenzen gemeinsam haben?“ lallte Tani sein Bierglas schwenkend.

„Ich habe keine Ahnung...“, seufzte Sarah.

„Wir sind alle drei dicht!“ lachte er unverhältnismäßig laut los, während ihm ein Schwapps Bier auf sein Hemd tropfte.

 

 

Zwar besitzt unsere Anlage eine schöne Pool-Landschaft und auch einen geräumigen Sportbereich, doch beides ist zur Zeit auf Grund des Virus gesperrt. Sowieso verlassen wir die Wohnung ausschließlich zum Einkaufen.  

Einkaufen heißt für uns, 2km in die Stadt laufen. Die eher kleinen Minimärkte, die es hier gibt, führen nur das Nötigste und Obst oder Gemüse sucht man fast Vergebens. Da man das Wasser aus der Leitung nicht trinken sollte, müssen wir 5-6l Wassergalonen holen und diese den Weg bis zur Unterkunft tragen. Außerdem werfen die Einheimischen den einen oder anderen sehr abschätzigen Blick auf uns, als wären wir persönlich an der angespannten Lage Schuld.

 

Doch trotz all dieser Unannehmlichkeiten, sagt uns unser Bauchgefühl (bis jetzt), dass es gut ist, dass wir hier geblieben sind. Es fühlt sich (noch) richtig und sicher an. Aktuell sind wir natürlich im Raum eingeschränkt, jedoch haben wir keinen Zeitstress, sind finanziell sicher aufgestellt, haben Essen und eine Unterkunft für die nächsten Tage bzw. Wochen. So können Andere, die vielleicht in einer viel schlechteren Lage als wir sind, die wenigen Rückflüge nutzen, um nach Hause zu kommen. 

Natürlich ist es trotzdem eine Herausforderung, doch wir haben bisher jedes Hindernis gemeistert und schaffen gemeinsam auch dieses. Und mit gemeinsam meinen wir gar nicht nur uns, sondern wir meinen dich, euch – alle. Jeden Tag erreichen uns neue Meldungen anderer Reisender von der ganzen Welt. Die einen müssen ihre Reisen abbrechen, Andere versuchen, ähnlich wie wir, vorerst abzuwarten und die limitierten Rückholflüge denen zu überlassen, die sie dringend benötigen. Es ist schön zu wissen, dass wir nicht die Einzigen sind, die diese, für uns alle neue Situation, in einem fremden Land aussitzen.

Wir wissen, dass es zur Zeit überall schwer ist. Wir denken oft an unsere vielen Kollegen, die im Chaos der Krankenhäuser Überstunden schieben, um Leben zu retten und das System am Laufen halten. Wir denken an alle, die vielleicht in der gleichen Situation wie wir sind und versuchen diese schweren Zeiten auszusitzen oder an die, die ihre Reisen abbrechen oder absagen mussten. Wir denken an unsere Freunde und Familien zu Hause, die versuchen müssen durch Ausgangssperren und leere Supermärkte, durch erschwerte Arbeitsbedingungen und soziale Distanz, ihren Alltag zu meistern.

 

Die Welt entschleunigt und das ist Herausforderung, doch auch Gelegenheit.

 

Wir genießen trotz Allem die Zeit, die uns hier gemeinsam bleibt, erfreuen uns an der wilden Natur um uns herum und verbringen die Zeit mit Hörbuch hören, Kartenspielen, Meditieren oder einer kleinen täglichen Aufgabe wie z.B. dem Versuch Partneryoga zu erlernen.  

Wir versuchen das positive in jedem Moment zu sehen und versuchen Allen, die diese Zeilen lesen, Kraft zu senden. Wir nutzen die Isolation, um unsere innere Ruhe zu finden, uns ganz auf uns zu besinnen, uns neu zu fokussieren und eine positive Perspektive zu behalten. Und durch Diese können wir Eines zum Abschluss sagen:

 

Es geht uns gut.

 

Liebe Grüße von eurem Team Tuckerbus

 

Tani und Sarah

Epilog:

„Denkst du eigentlich, dass die Leute es uns übel nehmen, wenn wir hier solche Witze schreiben?“ fragte Sarah nachdenklich.

 

Tani antwortete erneut mit einem Gedicht von Goethe:

 

„Welch schwere Zeit umgibt die Welt,

wenn sich zu Ungewissheit die Panik gesellt.

 

Viele denken beim Shoppen nicht wirklich fair,

und so sind die Regale im Supermarkt leer.

 

Heut viel wertvoller als so mancher Saphir,

eine Rolle vierlagiges Klopapier.

 

Nun frage ich dich, was können wir machen?

Die Antwort, bringen wir doch alle zum Lachen.

 

Was gibt es also Besseres gegen großes Leid,

 

als ein Bild von Tani im Kleid?

Kommentar schreiben

Kommentare: 5
  • #1

    Chrissi und Rafael (Sonntag, 22 März 2020 15:09)

    Unsere lieben Freunde von tuckerbus �. Es freut uns unendlich, dass es euch gut geht und ihr die Zeit gemeinsam dafür nutzt, Spaß � zu haben. Ihr seid ein tolles Team und wir vermissen euch � Seid geherzt ♥️

    ... Lachen � ist die beste Medizin

    Lg von Penang �️, eure fernschmecker

  • #2

    Gabi & Klaus (Sonntag, 22 März 2020 15:13)

    Hallo, es ist schon bewunderndst wert, wie ihr diese recht angespannte momentane Situation meistert.
    Wir können uns überglücklich schätzen, solch einen Schwiegersohn auch im Kleid, oder gerade deshalb, in der Familie integriert zu haben. Diese geistig hochwertigen Ergüsse in Wort und Bild, tragen dazu bei, diese sehr besondere Zeit etwas leichter erträglich zu machen und auch wenn jetzt Eu're Reise hier ein ungewolltes Ende finden sollte, bleiben die vielen wunderbaren Momente der Asienreise und die Zukunft ist für alles offen.
    Bleibt gesund und fit
    Ganz lieb
    Gabi und Papa

  • #3

    Sabine (Sonntag, 22 März 2020 16:41)

    Hallo Ihr Weltenbummler,
    wieder ein echt schöner Bericht! Es hat mir ein Lächeln ins Gesicht gezeichnet �! Tani sieht echt sexy im Kleid aus ��! Mit der Wohnung habt ihr echt Glück, so ein toller Ausblick���� Bleibt gesund und genießt die Stille. L.G. Sabine

  • #4

    Laurüüüü (Sonntag, 22 März 2020 17:02)

    Hammer-Gedicht! :D Tanü van Goethe!

  • #5

    Sandra Kopp (Sonntag, 22 März 2020 18:02)

    Wie immer toll geschrieben. Tani im Kleid!! Eine Wucht �� macht es ganz gut und gerne lassen wir uns zwischen durch zum Lachen bringen...
    Das passiert selten genug im Moment