Von Langkawi nach Penang und dem Stellen der Höhenangst

„Weißt du eigentlich was das Beste gegen meine bestehende Akrophobie ist?“ fragte Tani.

„Was genau soll das sein? Die Angst vor aggressiven Mitmenschen?“ lachte Sarah.

„Das ist der Fachausdruck für Höhenangst. Und das beste Mittel dagegen ist, wenn ich nie wieder jemanden anflunkere, denn dann bin ich nämlich schwindelfrei“, prustete Tani los.

„Ein guter Vorsatz“, nahm Sarah die Gelegenheit wahr. „Dann verrate mir doch jetzt mal bitte, wer nun wirklich den letzten Cheese Cracker gegessen hat.“

„ÄHHHHHHMMM...“

Von unserer einfachen, aber kostengünstigen Unterkunft am Chenang Beach aus, mieteten wir uns einen Roller. Ziel war Tani´s Höhenangst ein wenig zu therapieren. Eines der Wahrzeichen auf Langkawi ist die sogenannte Skybridge. Um zu dieser zu gelangen, muss man allerdings erst einmal eine Seilbahn in lichter Höhe benutzen. Schon auf dem Weg sahen wir die kleinen Kabinen, die sich steil den zweithöchsten Berg der ganzen Insel, dem Gunung Machinchang, hinauf quälten. Tani schluckte schwer, war aber fest entschlossen, sich seiner Angst zu stellen.

Mit zwei weiteren Touristen bestiegen wir die kleine Gondel und schon nach wenigen Metern Fahrt bemerkten wir den starken Wind, der das ganze Gefährt ins Schwanken brachte. Sarah genoss den Ausblick von der immer höher aufsteigenden Fahrt sichtlich, während Tani immer blasser wurde und versuchte den gummiartigen Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken. Die beiden anderen Touristen, beide aus Malaysia, bemerkten wohl sein Unwohlsein und versuchten ihn mit einem Gespräch abzulenken.

„Unter Berücksichtigung meiner schwitzigen Hände, meiner Gesichtsfarbe und des konzentrierten Blickes nach Vorn, sollte Ihnen aufgefallen sein, dass mein derzeitiges Befinden nicht in einem physiologisch positiven Bereich ist und ich mich durch meditatives Atmen mit mir und meinem inneren Kern beschäftige und nicht Willens bin, mich dem geistlosen Geschwätz über die Aussicht, das Wetter oder die Höhe zu unterhalten“, erwiderte Tani durch die fest zusammen gebissenen Zähne.

Der freundliche Mann lächelte Tani an und fragte „Sorry, could you speak english please?“

PAUSE

„Yes... the weather is fine...“, gab Tani resigniert zurück.

 

Wir erreichten nach etwa 15 Minuten Fahrt die Mittelstation des Berges, doch bevor wir in die uns weiterführende Gondel stiegen, genossen wir erst einmal den fantastischen Blick über die nahe gelegenen Inseln.  

Als Tani sich wieder etwas hergestellt fühlte, ging es mit der nächsten Fahrt auf die Spitze des Berges. Von unterwegs konnten wir schon einen guten Blick auf die geschwungene Schrägseilbrücke werfen.

Nach einem kurzen Marsch durch den Dschungel, erreichten wir das eine Ende der Brücke. Tani atmete noch einmal tief ein und murmelte etwas von „mein Endgegner“.

 

 

Die Brücke ist an der dünnsten Stelle 1,80m breit, hat eine Länge von 125m und unter den metallenen Bodenplatten geht es in einer Höhe von 700m über dem Meeresspiegel knapp 60m steil nach unten. Durch den starken Wind wackelte der ganze Bau leicht nach oben und nach unten. Während Tani´s Gang dem eines Drahtseilakteurs glich, der nicht herunter fallen will, genoss Sarah den fantastischen Ausblick, den wir von der Brücke hatten. Wir gingen hoch über dem dichten Dschungeldach und hatten eine wahnsinns Weite (und Tiefe :p ) vor uns liegen.

 

Das andere Ende erreicht, machte Tani vor Stolz grinsend, ein Beweisselfie, dass wir es geschafft hatten.  

Auf dem Rückweg forderte er sich ein weiteres Mal heraus und setzte sich auf eine der eingelassenen Glasplatten, durch die man direkt in den Abgrund schauen kann. Zum Abschluss stiegen wir noch einmal auf zwei Plattformen, von denen man einen gigantischen Blick zum Einen, auf die Brücke mit umliegenden Bergen und zum Anderen, in Wasserrichtung mit darin liegenden Inseln bestaunen konnte. Es war so super schön, doch leider hielt uns der immer stärker werdende Wind davon ab, noch länger dort oben zu verweilen.

 

Motiviert von diesem Erlebnis, überlebten wir auch die Rückfahrt zum Oriental Village, von wo aus unsere Fahrt am Morgen startete. Die bestandene Therapie feierten wir mit einem großen, etwas überteuerten Kaffee.  

Das kleine, nur für den Tourismus gebaute Dörfchen, am Fuße des Gunung Machinchang, bietet alles was das Urlauber Herz begehrt. Ob 3D-Art Museum, Spiegelkabinett, 6D- Kino oder viele kleine Cafés oder Restaurants und das alles in einer wunderschönen (künstlich geschaffenen) Umgebung. Da uns die Fahr- und Eintrittspreise aber alle zu hoch waren, beschlossen wir das Dörfchen zu verlassen und zu einem nahegelegenen Wasserfall zu fahren, dem Seven Wells Fall.

Wir starteten von einem kleinen, nicht weit entfernten Parkplatz und mussten hunderte von Treppenstufen hinter uns bringen, um das Ziel der Begierde zu erreichen. Natürlich war es mittlerweile schon Mittagszeit und somit extrem heiß und schwül im Dschungel. Der Seven Wells Fall ist ein kleiner Fluss, der über Jahrtausende hinweg, sieben kleine natürliche Becken in den Felsen gespült hat. Diese sind mit dem herrlich frischen Bergwasser gefüllt und man kann in ihnen Baden, doch nicht nur das. Die vorderen Becken liegen direkt an der Kante des Felsens, hinter der nach einer kleinen Schräge der eigentliche Wasserfall herabstürzt.  

So lagen wir im Sonnenschein in dem glitzernden Becken und konnten uns an dem atemberaubenden Panorama gar nicht satt sehen. So ein Bad hatten wir noch nie in unserem Leben.

Während wir so da lagen und diesen wundervollen Moment genossen, nahm Tani plötzlich die Wasserflasche und ließ Tropfen um Tropfen auf den trockenen Stein gleich in der Nähe unseres Beckens tropfen.

„Was soll das denn werden?“ fragte Sarah verwundert.

 

„Na ja... steter Tropfen höhlt doch bekanntlich den Stein. Und hier wäre ein Bierflaschenhalter echt super“, lachte er laut los.

Als wir aufgequollen wie ein Tafelschwamm waren und das kleine Becken verlassen wollten, bemerkten wir, dass das durch die glitschigen Felswände gar nicht so leicht war und man aufpassen musste, nicht über die Kante zu gleiten.

Weiter oben und vor allem weiter weg von der Kante,  nutzten andere Besucher genau diese Eigenschaft der Felsen, um sie als natürlich geschaffene Rutschen in die Becken zu benutzen.

Nach einer langen Fahrt einmal um die Insel. kamen wir zurück an unserem Hotel an und nahmen uns vor, nach einem weiteren Hotelwechsel noch einmal einen Roller auszuleihen.

 

Wir fanden über die App Agoda eine Unterkunft in der Nähe, die uns super gefiel und bezogen eine kleine, ausgebaute Betonröhre.

Vielleicht liegt es an den anderthalb Jahren, die wir in unserem Bus gelebt haben, doch solche kleinen Unterkünfte sind für uns immer ein ganz besonderer Traum. Wir fühlen uns meist in kleinen gemütlichen Kapseln, Bungalows, Hütten oder eben Röhren wohler, als in groß ausgestatteten Hotelzimmern. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass eine Klimaanlage auf kleinerem Raum nicht so lange benötigt, um ihn herunter zu kühlen. ;)

 

Die Hitze in Malaysia war zeitweise immer noch sehr anstrengend für uns und wir versuchten über die besonders heißen Mittagsstunden nichts anstrengendes zu unternehmen. (Siehe Treppensteigen zum Seven Wells Fall. :p )

Als wir uns am nächsten Morgen erneut einen Roller besorgt hatten, empfahl uns der sehr nette und hilfsbereite Vermieter einen bestimmten Ort, an dem man wohl einen fantastischen Blick über die ganze Insel hätte.

Wir fuhren los und machten zuerst am Temurun Wasserfall Halt.

 

Wenige Meter führte uns ein Weg an einem ausgetrocknetem Flussbett entlang durch ein Stückchen Dschungel. Affen bestaunten uns so wie wir sie bestaunten. Vögel und Insekten begleiteten mit ihrer Musik unseren Weg, zum wohl höchsten Wasserfall der Insel. Schon wenige Meter, bevor wir am Ziel angekommen waren, sahen wir die sehr hohe und steile Felswand vor uns. Staunend gingen wir weiter. Am Fuße des Wasserfalls gibt es ein Becken, in dem sich ein Teil des herabstürzenden Wassers sammelt und man in einer traumhaften Kulisse baden gehen kann. Soweit so gut. Doch als wir angekommen waren und die Steilwand hinauf blickten, sahen wir keinen Wasserfall, sondern nur einen kleines tröpfelndes Rinnsal, wahrscheinlich aufgrund der extremen Trockenheit.

Nachdem wir uns ein ausgiebiges Bad gegönnt hatten, fuhren wir weiter und machten an einigen Stränden Halt um erneut Baden zu gehen und in der Mittagshitze nicht zu Dörrpflaumen zu vertrocknen. Als es dann langsam Nachmittag wurde, entschieden wir uns für eine Straße, nicht entlang der Küste, sondern durch das Innere der Insel. Dabei fiel uns eher zufällig ein Bergname auf unserer Offlinekarte auf. Der Gunung Raya, mit 881 Metern nicht nur der höchste Berg der Insel, sondern zudem genau der Ort, den uns unserer Rollervermieter empfohlen hatte.  

Da wollten wir Halt machen. Wir bogen von der Hauptstraße ab und folgten einer gewunden Straße immer bergauf. Schilder warnten vor einer gefährlichen Anfahrt und dies auf eigene Gefahr. Nach etwa 5 Kilometern mussten wir leider abbrechen und umdrehen. Nicht, weil die Straße nicht befahrbar war, im Gegenteil, sie erwies sich tatsächlich als gut ausgebaut. Unsere Sprit-Anzeige blinkte schon eine Weile und wir bemerkten, dass wir es mit unserem Tank wohl nicht bis zur Spitze schaffen würden.

Also drehten wir um und suchten mit den letzten Tropfen Benzin eine Tankstelle. Beim zweiten Versuch schafften wir es dann, erreichten den Gipfel und waren sprachlos.

 

Unser einheimischer Vermieter hatte nicht zu viel versprochen. Es war durch die hohe Luftfeuchte zwar recht trüb, doch das tat der Schönheit des Ausblicks keinen Abbruch.  

Wir sahen die Häuser der Städte klitzeklein unter uns schimmern. Wir erblickten die Skybridge, die Strände und das weite offene Meer. Viele kleine Inseln umsäumten die Ufer und als wäre das nicht schon schön genug, umkreisten zwei riesige Adler den Gipfel. Während wir noch dabei waren unsere Fotos zu schießen, schlich sich klamm heimlich eine dicke schwarze, sehr bedrohlich aussehende Wolke von hinten an uns heran. Als wir sie dann endlich bemerkten, fiel alle Heimlichkeit von ihr ab uns es begann mit Nieseln. Wir starteten unseren Roller, um so schnell wie möglich vom Berg runter zu kommen, da bei starkem Regen die Straßen gefährlich werden könnten.  

„Das ist Werner die wahnsinnig wütende Wabbel-Wolke und er ist gekommen, um seine Frau Dora Dunstschleier zu rechen, die von der Sonne verdunstet wurde“, schrie Tani durch das laute Rauschen der immer größer werdenden Regentropfen.

„Konzentrier dich auf's Fahren. Deine witzigen Namen kannst du dir für die nächste Ü-Ei-Generation aufheben“ rief Sarah zurück.

Nach etwa 1 Km begann die Wolke dann mit ihrem Hauptangriff, so dass wir gezwungen waren, am Straßenrand Halt zu machen und unter den dichten Bäumen Schutz zu suchen. Doch es regnete so stark, dass auch die riesigen Blätter der Dschungelfauna nicht schützten. Also machten wir das Beste aus der Situation. Wir lachten vor lauter Lebenslust dem Regen entgegen, sprangen, tanzten durch die Pfützen und genossen das belebende Gefühl der kalten Nässe auf unserer Haut. Nach einer halben Stunde war der Kampf gegen die Wolke vorbei. Siegreich bestiegen wir wieder unser edles Ross und fuhren zurück. Dabei bemerkten wir, dass es scheinbar nur bei uns geregnet hatte, denn alle anderen entgegenkommenden Fahrer waren trocken.

 

Einen weiteren Tag genossen wir noch in unserer herrlichen Unterkunft, aßen ein üppiges, im Preis eingeschlossenes Frühstück und faulenzten ein wenig mit dem tollem Ausblick auf das Meer und vorgelagerte Inseln, bevor wir uns am nächsten Morgen von der Langkawi verabschiedeten, eine Fähre bestiegen und nach wenigen Stunden die Skyline der Insel Penang vor uns auftauchte.

Die Stadt Georgetown, in der unsere Unterkunft liegt, bereitete uns einen Empfang voller Farbenpracht, exotischen Gerüchen, Geräuschen und jeder Menge kultureller Eindrücke.

Wir hatten über Instagram ein Ehepaar kennengelernt, mit denen wir uns hier treffen wollten. Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, liefen wir zum ausgemachten Treffpunkt, einem kleinen Mexikanischen Restaurant.

„Wusstest du eigentlich, dass in dieser Stadt eine sehr berühmte Fußballtechnik entwickelt wurde?“ wollte Sarah wissen.

Etwas verwundert über das plötzliche Sportfachwissen zuckte Tani nur mit den Schultern.

„Ja, der sogenannte GrupPENANGriff“, meinte Sarah.

Tani blieb abrupt stehen, sah Sarah schief an und prustete dann so laut los, das alle Umstehenden erschrocken von ihm wegsprangen, da sie hinter dem hustenden Geräusch den Coronavirus vermuteten.

 

„Jetzt fang ich auch schon an mit den schlechten Wortwitzen, wir verbringen eindeutig zu viel Zeit zusammen“, lachte Sarah laut mit und gab Tani einen Kuss auf die Wange.

Angekommen beim Mexikaner bestellten wir ein wenig aufgeregt etwas zu Trinken und warteten auf die beiden Anderen, die nach wenigen Minuten eintrafen.

Christina und Rafael sind zwei Österreicher, die seit zwei Jahren, arbeitsbedingt auf Penang leben. Gemeinsam betreiben sie ihre Website www.fernschmecker.blog auf der sie viele wunderschöne Bilder, Geschichten und Tipps zum Thema Reisen, Leben in Malaysia und natürlich dem Essen der fernen Länder teilen.

 

Schon nach wenigen Momenten war das Eis gebrochen und die Beiden konnten uns ganz viel von der Insel erzählen und gaben uns Tipps für unsere Reise durch Malaysia. Sie erzählten uns spannende und lustige Geschichten aus ihrem Leben und nach dem super leckeren Essen verlegten wir unseren Abend in eine Bar auf dem Dach des Bay-View-Hotels. Während wir einen atemberaubenden Blick über die beleuchtete Skyline Penang´s genossen, tranken wir Bier und Cocktails und tauschten uns stundenlang über unsere Reisen und Erlebnisse aus.  

Es war ein wunderschöner erster Abend hier auf der Insel, der uns sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben wird. Ihr Beiden: vielen Dank, dass ihr uns zu diesem schönen Erlebnis eingeladen habt und den herzlichen Empfang hier auf Penang.

 

Wir genießen es sehr, keinen festen Plan von unserer weiteren Tour zu haben. Wir haben keinen Zeitdruck, keine Termine und genießen dadurch die absolute Freiheit zu bleiben, so lange wir möchten. Vielleicht hält es uns eine Woche hier auf der Insel, vielleicht auch drei. Wir werden sehen, wohin uns unser Weg führt, doch ganz klar ist, dass wir uns darauf freuen.

„Zu Reisen ist zu Leben“ und genau das spüren wir jeden Tag mehr, ganz tief in uns.

 

Liebe Grüße von eurem Team Tuckerbus

 

Tani und Sarah.

Epilog:

„Was schaust du mich denn so an?“ fragte Sarah verwundert.

„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du diesen Penang-Witz gemacht hast“, meinte Tani.

„Ich meine“, fuhr er fort, „jetzt gehörst du zur Sippe der Wortwitzler, du bist quasi ein SipPENANGehöriger“.

„Und das, obwohl ich finde, dass Wortwitzler keine besonders gute TyPENANGabe ist“, feixte Sarah los.

 

„OOOOOKAY... du hast gewonnen“, ergab sich Tani.

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